Karlsruhe, 26. Juni 2010

Einsam durch die Fidelitas-Nacht

 

Der 1. Fidelitas Nacht-Marathon in Karlsruhe Rüppurr stand vor der Tür. Trainiert habe ich nicht speziell auf Marathon, im Vertrauen auf mein Grundlagentraining beim LT-WaB. Nach 3 Jahren Pause sollten es mal wieder die 42 Km sein. Marathonvorbereitung sieht anders aus, wenn die Zeit eine Rolle spielt. Meine Zeit spielte keine große Rolle, Vorgabe etwa 5:30 h. 

Schon 32 Jahre ist die Veranstaltung alt und auch besser bekannt unter „80Km Fidelitas-Nachtlauf“. Ich war schon 4x dabei und kenne daher den Ablauf gut. Der Marathon liegt auf der 2. Hälfte des Ultras, dieses Jahr zum ersten Mal im Angebot. Die Veranstaltungist jetzt in Händen des „Post Südstadt e.V. und Südstern e.V.“ Die Streckenbeschreibung auf der Webseite ist modern und auch der Weg zum Stadion ist gut beschrieben. Noch nie führte mich mein Navi so exakt zum Tatort. Dort traf ich auch gleich zwei alte Bekannte. Ex-Obermuli Hans-Jürgen Bentz und Andreas Godon. Das war auch zu erwarten….

Nach unseren traditionellen Gruppenfotos ging es pünktlich um 19:00 Uhr mit Sonderbussen nach Mutschelbach zum Start. Dort war auch Wechselzone der 4x20Km Staffeln. Noch 30 Minuten konnten wir die Wechsel beobachten und etwas trinken. Dann, um 20:00 Uhr schickte die Startpistole auch uns auf die Strecke. Ein Blick auf das Umfeld und mir war klar, du wirst letzter im Ziel sein. Schon nach 100 Metern war auch klar, auf diesen 42 Km bist du völlig alleine. Single in der Natur zwischen Verpflegungsständen. Und die Natur hatte was zu bieten. Der Geruch von Heu, überall. Ich hatte vergessen, wie toll das riecht.  

Die Strecke:
Wunderschön, abwechslungsreich und absolut abenteuerlich. Sie ist nicht einfach, durchgängig  gespickt mit Auf und Abs. Der giftigste Anstieg, die Langensteinbacher Höhe kommt schon bei Km 5. Der Höchste Punkt bei Langenalb bei Km 17. Dann geht es nur noch runter. Trotzdem, 460 Höhenmeter hat man zu bewältigen. 

Verpflegung und Betreuung vorbildlich: Wasser, Tee, Cola, Malzbier, Obst und Hefezopf waren Standard. Danke Leute vom Ort, der Feuerwehr, vom Roten Kreuz, an den Ständen!! Auf Fans muss man verzichten. In den wenigen Dörfern vereinzelt, danach wieder Natur, total. 

Ein besonderer Fan auf der Strecke ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Mitten auf dem Weg lag eine kapitale Schlange. Zuerst ist man erschrocken und läuft einige Meter weiter. Dann wollte ich aber doch wissen, ob sie giftig ist und lief zurück. Nein es war keine Kreuzotter, es war eine ausgewachsene Ringelnatter. Wunderschön im dunklen Schuppenkleid lag sie auf dem gelben Schotter. Sie verzog sich wieder ins hohe Gras und ich Hirsch habe sie nicht fotografiert. Da blutet mir jetzt noch das Fotografenherz.

Meine Strategie: 
Ich verhielt mich wie beim 80er. Alle kräftigeren Anstiege bin ich gewalkt, um dann erholt wieder zu laufen. Das war gut für mich. Nur mein Magen glaubte das nicht, ein altes Thema. Bis Km 25 ging es gut, dann schlug er wieder zu, mein alter Freund. Er schluckte nicht mehr das, was ich wollte. Rebellisch war er schon zu Hause, es lag wohl an der Pasta. Drei Stunden vor Abfahrt noch eine 5Km Testrunde vor der Haustür. Aber das kennen wir Läufer ja bestens. Vor solchen Event tut alles doppelt weh. Die Einbildung im Kopf meldet sich. Die Zerrung beim Neustadter Altstadtlauf vor einer Woche, auch so ein Kopfgespinst. 

Nur, die Magengeschichte, sie war echt. Bei Km 25 hat es mich erwischt, ich murmelte am Brückengeländer in einen murmelnden Bach. Die gleiche Story dann im Stadion, 20 Minuten nach meinem Finish. Hans-Jürgen und Andreas sind tapfere Zeugen meiner Kunst.

Um 1:12 Uhr war ich glücklich im Ziel. Medaille und Vorab-Urkunde bekam man sofort. Sie zeigte 5:12:40, Gesamtplatz 49 von 53, AK M60 Platz 5. Siehe da, das Schlusslicht war ich nicht. 

Erste Reaktion im Ziel:
Das war mein 49. und letzter Marathon, es macht mir keinen Spaß mehr!!! Am anderen Tage wollte ich davon nichts mehr wissen :-;Zeitvorstellung eingehalten. Ziemlich gleichmäßige Zwischenzeiten, dem Höhenprofil und meinem Niveau entsprechend. Zwei Stopps für Headlight-Montage und Windbreaker auspacken. Definitiv kein Einbruch. Ich glaube, mein 50. Jubiläums-Marathon müsste doch noch drin sein.

Was ist der Reiz an diesem Lauf?
Die totale Natur und die totale Dunkelheit zum Schluss. Bis Langenalb hat man noch Licht. Dann kommt der dunkle Wald. Ohne Taschenlampe geht  jetzt nichts mehr. Uli P. gab mir seine Kopflampe mit. Die war echt super. Bestückt mit neuen Batterien hatte ich wunderbares Licht. Nur die Schlange konnte ich nicht vergessen. Alles was länglich aussah, wurde genauer beleuchtet. Keine Ahnung, ob die auch nachtaktiv sind, ich bin ja kein Experte. Zur Not hatte ich noch eine Stablampe im Rucksack, aus eigener Erfahrung. Bei einem früheren 80er erlebte ich den Gau, die Birne brannte durch. Totale Dunkelheit und keine Chance, die Ersatzbirne zu finden. Ein Jugendlicher rettete damals meinen Lauf. Er kam um 2:30 Uhr mit seinem Moped durch den Wald gedüst und ich konnte ihn stoppen. In seinem Scheinwerferlicht repariere ich meine Lampe. Das war schon mutig von dem Typ, anzuhalten, wenn plötzlich der schwarze Mann im Walde vor einem steht. 

Die Kameradschaft auf der Strecke, sie hat was! Irgendwann wird man von den Ultraläufern überholt. Jeder hatte die gleiche Frage „HALLO WIE GEHT’S“. Die meinten das ernst, sie wollten nur hören, ob man vielleicht Probleme hat. Man ist ja wirklich alleine auf der Strecke, bis auf solche Begegnungen. 

Fazit:
Ein echter Knaller, dieser Lauf. Leicht riskant, man läuft alleine. Einsam, abenteuerlich, Natur pur.  Vorbildliche Verpflegung. Taschenlampe unbedingt erforderlich, für mich ab Km 20. Welliger Kurs summiert sich auf 460 Höhenmetern, nach Garmin-Connect. Der höchste Punkt auf halber Strecke, dann geht es wieder runter. Die Streckenmarkierung ist top, das war nicht immer so. Wer sich jetzt noch verläuft, muss zum Augenarzt. Fürsorgliche Kameradschaft auf der Strecke. Die Veranstalter sind sehr bemüht. Ich wünsche ihnen die doppelte Teilnehmerzahl. Urkunden und Medaille bekommt man sofort. Neuer Papierchip an beiden Schuhen. Funktioniert gut, Ergebnisse  aber erst nach 2 Tagen im Netz. Online-Ergebnislisten und Urkunden aus Profihand. Ob ich nochmals teilnehmen möchte? Oh Mann, wäre ich doch noch etwas jünger....

Text Klaus Harnisch, Fotos Klaus Harnisch und Hans-Jürgen Bentz